Semmelweis

Noch nie gehört? Gut möglich, sogar verständlich!
Ein Blick in Wikipedia, gibt Auskunft über Ignaz Semmelweis. Dorthin gelangt man natürlich nur, wenn man den Namen schon kennt oder sich tatsächlich, etwas tiefgründiger mit Hygiene und Medizingeschichte beschäftigt.
Ignaz Philipp Semmelweis lebte von 1818 bis 1865 im Königreich Ungarn / Kaisertum Österreich und starb in Wien. Er studierte Medizin in Pest und doktorierte in Wien.
Semmelweis erkannte empirisch, dass Händewaschen ganz elementar zur Verhinderung von Infektionen beiträgt, insbesondere bei Geburten. Mit dieser Erkenntnis und der Umsetzung derer, konnte er das Kindbettfieber zu fünfzig Prozent reduziert werden. Das heisst, wenn es ohne Händewaschen bei 30% der Geburten zu tödlichen Infektionen kam, waren es mit gewaschen Händen «nur» noch 15%.
Wir wissen nicht, wie das Leben und der Alltag um 1850 wirklich waren. Vieles ist verbrieft, den eigentlichen Zeitgeist zu fühlen jedoch fast unmöglich.
Semmelweis hatte eine grossartige Erkenntnis und in der Umsetzung sehr einfach und durchaus praktikabel, wenn auch noch kein fliessendes, sauberes Wasser wie selbstverständlich in jeden noch so einfachen Haushalt sprudelte.
Aber Semmelweis ritzte mit seiner Erkenntnis das Ehrgefühl der damals unantastbaren Doctoren, Ärzten, Heilern und Kirchenoberhäuptern. Diese befanden Händewaschen als «groben Unfug», da es ja nicht sein konnte, dass sie, als gebildet bis geläuterte Gelehrten dreckige Hände haben sollten! Die dreckigen Hände hatte nur der Pöbel, der Mob und die des Lesens unkundigen.
So kam es, dass man Semmelweis in die Psychiatrie einwies und dort ein paar Jahre später, unter nie geklärten Umständen verstarb.
Semmelweis hatte Recht, mittlerweile einigermassen rehabilitiert, ist seine Lehre auch 150 Jahre nach seinem Tod nicht wirklich als das was sie ist: eine praktikable Alltagshandlung, in unserer Gesellschaft angekommen.
Im Jahr 2020, auch ausgelöst durch Corona – ja das Virus kann auch Gutes auslösen – , sind zwei zentrale Gedanken, die mich seit mir der Name Semmelweis ein Begriff ist begleiten, wieder an die Oberfläche gekommen:
Während der insgesamt dreissig Jahren in täglichem Kundenkontakt, wurde ich nie angesteckt, dies weil ich spätestens in der Gewerbeschule Herr Semmelweis Erkenntnisse lernte und mir aneignete. Während der zwanzig Jahre in denen ich Perlen und Schmuck verkaufte, lernte ich beispielsweise Putzfrauen aus dem nahen Kantonspital kennen, die mir stolz berichteten, dass das Tragen von Armbändern während der Arbeit strengstens verboten sei, sie aber, kaum sei die Chefin weg, die Armbänder sogleich wieder anziehe. Ich hatte junges medizinal Personal, das am ledernen, textilen Stoffarmbändchen partout keinen Verschluss wollte, da sie es immer trügen… Ich riet ihnen ab, versuchte zu erklären und stiess auf Unverständnis und taube Ohren. Ohne es zu sagen, nannte ich sie in meinen Gedanken «Mörder».
Corona – ist eigentlich eher eine Mimose unter den Mikroorganismen, die sich in unser Leben einmischen. Ich will ihre Gefährlichkeit mit dieser Aussage keineswegs in Abrede stellen!  Aber Corona nimmt lieber den Flug mittels Spucke, als mühsam und zäh per Armband zu reisen. Corona hat einen verhältnismässig empfindlichen Fettschutzmantel, also ist Seife bereits Feind!  Hingegen ist der «Spitalkeim» beispielsweise, ebenso wie diverse andere Mikroorganismen viel zäher und überlebensfähiger und macht sich ganz gern per Fingerring oder Armband auf die Reise zu seiner Wunschdestination.
Wir haben immer dreckige Hände und das ist fast immer auch richtig so: Wir müssen auch Antikörper bilden und – wichtig – eine ganze Anzahl der mit blossem Auge unsichtbaren Mitbewohnern sind nützlich und dienen unserer Gesundheit! Aber wir müssen vor diesem, uns noch weitgehend unbekannten Mikrokosmos Respekt haben und das was Semmelweis erkannt hat mit Verantwortung und Verstand anwenden!

«Es ist nicht, weil es nicht sein darf!»
Die Gelehrten zur Zeit Herrn Semmelweis fühlten sich in ihrer Ehre angegriffen, als er ihnen sagte, sie sollen sich die Pfoten waschen!
In der englischen Literatur gibt es den Begriff «Semmelweis-Reflex» (auch das in Wikipedia nachzulesen, wenn die Bibliothek geschlossen ist). Wir blicken mit dem (Wohlstands-) Blick des Jahres 2020 auf die aktuellen Geschehnisse, müssen wir ja fast. Aber es stünde uns zu, das eine oder andere Dogma, das eine oder andere Paradigma zu hinterfragen und uns zu fragen, was wir für einen «Show» abziehen. (Ich meine damit nicht die behördlich angeordneten Verhaltensregeln!) Seit vierzig Jahren ist beispielsweise der Irrglaube, dass man mit Geld und Wissenschaft jedes Problem lösen kann sehr verbreitet und salonfähig. Wir (über-)bilden unsere Kinder und Jugendlichen fast international gleichgerichtet. Wir fressen den Wissenschaftlern aus den Händen, vor allem den Lauten und geschniegelten und ein paar «Ketzer» machen wir mundtot. Wir fliegen zum Mond – wozu auch immer -, aber den Kreis können wir noch immer nicht ohne letzte Kommastelle berechnen. Unsere Uhr müssen wir gelegentlich mit einer Schalteinheit wieder ins «Zentrum» bringe Könnte es sein, dass wir ganz Elementares einfach noch nicht erfasst haben?